Leidenschaft, die Leiden schafft

Die Saison 2024 hat die Leidenschaft der Velobranche für ihre Produkte auf eine harte Probe gestellt. Dass es soweit kam, ist zu einem wesentlichen Teil aber auch genau dieser Leidenschaft geschuldet. – Analyse zum aktuellen Marktgeschehen.

Was beschreibt den durchschnittlichen Brancheninsider am Besten? Es ist weder seine besondere Geschäftstüchtigkeit noch seine Sportlichkeit oder sein handwerkliches Geschick. Es ist die Leidenschaft, die er oder sie für das Produkt leben, mit dem sie sich täglich abgeben.

Diese Leidenschaft wurde aber zuletzt hart auf Probe gestellt. «Es macht keine Freude mehr» ist ein Satz, den ich im vergangenen Jahr sehr oft gehört habe von Vertretern der Velobranche auf allen Stufen. Kein Wunder, denn der Markt war auch wirklich hart. Am Ende der Saison hatten Händler, Hersteller und Vertreiber viel gekrüppelt, gerechnet, geredet, gestritten – und doch kaum etwas verdient. Und die Kundschaft fragte dann auch noch, ob sich beim Preis nicht noch etwas machen liesse.

Blick auf sich statt auf den Markt

Dass es so weit gekommen ist, schmerzt auch mich selbst in meiner Leidenschaft fürs Velo. Vor allem, weil mir scheint, dass es nicht notwendig gewesen wäre. Klar – der Veloboom der Covid-Jahre war nicht vorhersehbar. Doch wie die Branche darauf reagierte und wie sie sich bereits davor entwickelt hatte, lässt auf ein Mass an Leidenschaft schliessen, das für das Geschäft nicht gesund war.

Beobachtet man die Entwicklung der letzten Jahre, so schien mit dem Boom die Leidenschaft mancher Marktteilnehmer durchzugehen. Der Erfolg während der Covid Zeit liess sie glauben, dass nun bald Alle das Velo gleich lieben würden wie sie. Und dass es noch Unmengen von weiteren Bikes in kürzester Zeit brauchen würde. Die Branche baute und bestellte ihre Produkte so, wie sie diese selbst lieben: spezialisiert und hochgezüchtet, leistungsfähig, und edel. Auf der Strecke blieb dabei der durchschnittliche Velofahrer, der einfach von A nach B kommen will oder im Sattel einfach eine gute Zeit verbringen, ohne viel Vorwissen, dafür mit beschränktem Budget.

Eine Klatsche von der Kundschaft

Die aktuelle Krise kann daher auch als Klatsche vom Markt verstanden werden. Und nachdem die Branche in der letzten Saison mit der Lagerbereinigung nochmals ganz mit sich selbst beschäftigt war, tut eine Kurskorrektur nun gut. Wieder hin zum Kunden, zu seinen Erwartungen und Möglichkeiten. Denn grundsätzlich mag er das Velo ja auch, und er würde es gerne häufiger brauchen. Damit geht es der Velobranche besser als den Bierbrauern, den Fotokamera-Fabrikanten oder Zeitungsdruckern, deren Produkte wegen wandelnden Lebensgewohnheiten in einer Krise stecken. Darum sind die Voraussetzungen eigentlich günstig, dass den Branchenteilnehmern ihre Leidenschaft fürs Velo bald auch bei ihrer Arbeit wieder mehr Freude bereiten wird.

Facts zum Marktgeschehen im neusten Marktbulletin

Diese Analyse ist als Vorwort im aktuellen Marktbulletin Velohandel Schweiz 2025 erschienen. Sie bezieht sich auf die Entwicklung von Verkäufen und Lagersituation im Schweizer Velohandel in den letzten 18 Monaten. Die ganze Studie kann hier bestellt werden.

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