Die Velowerkstatt brummt und der Service gewinnt seit dem Siegeszug des Elektrovelos an Bedeutung. Die Ergebnisse der Werkstattumfrage 2022 zeigen aber, dass die Arbeit immer noch viel zu wenig rentiert. Vor allem ein Erfolgsfaktor wird sträflich vernachlässigt. Und dafür dafür erhält der Schweizer Velohandel die Quittung.
Bei der allerersten Werkstattumfrage im Jahr 2011 standen die Arbeitstarife im Vordergrund. Vor elf Jahren war das auch richtig, denn mit dem damaligen branchenweiten Durchschnittstarif von 88 Franken pro Arbeitsstunde konnte in der Servicewerkstatt wirklich kein Geld verdient werden. Die Stundenansätze sind seither um rund einen Viertel angestiegen. Hier hat die Werkstattumfrage mitgewirkt, denn sie bietet zuverlässige Vergleichszahlen für den gesamten Schweizer Velohandel. Es ist aber eine Herausforderung geblieben, die Werkstatt im Velohandel rentabel zu betreiben. In der Werkstattumfrage 2022 zeigt sich das darin, dass beinahe die Hälfte der Umfrageteilnehmer nach wie vor kein Geld verdient mit Servicearbeiten und Reparaturen.
Luft nach oben bei der Effizienz
Die Ergebnisse der aktuellen Werkstattumfrage zeigen, dass zahlreiche Betriebe noch viel Luft nach oben haben bei Kostenbewusstsein und Arbeitseffizienz. Wenn ein Abholservice kostenlos ist und Ersatzvelos gratis sind, wenn standardisierte Abrechnungsmodelle wie Arbeitswerte oder Auftragspauschalen fehlen und das Potenzial einer modernen Betriebs-Software nicht genutzt wird, dann darf es niemanden wundern, wenn eine Werkstatt in den roten Zahlen stecken bleibt. Doch die grösste Gefahr für den längerfristigen Erfolg der professionellen Servicewerkstatt geht von einer ganz anderen Herausforderung aus.
Am falschen Ort gespart
Blickt man auf die Gehälter von Werkstatt-Mitarbeitenden, erhält man den Eindruck, dass in einigen Geschäften am falschen Ort gespart wird. Kurzfristig mag sich die Rentabilität der Werkstatt verbessern, wenn die Lohnkosten tief bleiben. Doch auf Dauer läuft die Branche gesamthaft Gefahr, dass ihr noch die letzten guten Mechaniker weglaufen. Ein tüchtiger Fahrradmechaniker EFZ ist ein vielseitig begabter Handwerker, und solche sind auch in anderen Branchen gefragt. Denn auch dort herrscht Fachkräftemangel. Und nicht wenige Branchen zahlen ihre Angestellten besser als der Velohandel.
Die Ergebnisse der aktuellen Werkstattumfrage zeigen, dass der allgemeine Fachkräftemangel die Branche mit voller Wucht trifft. Und diese Herausforderung ist wesentlich grösser als diejenige der tiefen Tarife bei der ersten Werkstattumfrage. Denn Stundenansätze können schnell erhöht werden. Eine solide Personalbasis für die Branche aufbauen und pflegen braucht aber viel mehr Zeit.
Wertschätzung für Fachkräfte
Darum sollten wir als Branche keine Zeit verlieren und neue Strategien gegen die Abwanderung von Fachkräften entwickeln. Denn eigentlich sind die Voraussetzungen hervorragend: Die Covid-Pandemie hat bestätigt, dass die Velowerkstätten systemrelevant sind. Damit bieten sie auf Dauer sichere Arbeitsplätze. Zudem bieten Velos und Elektrovelos ausgereifte und preiswerte Antworten auf dringliche Fragen, die der Klimawandel und die aktuelle Energiekrise aufwerfen.
Hört es sich nicht toll an, wenn man bei seiner Arbeit an den Lösungen für die grossen Probleme der Welt arbeitet? Auf jeden Fall. Nur nützt es auf Dauer nichts, wenn eine Fachkraft zu wenig verdient. Darum sollte der wichtige Beitrag angemessen entlöhnt werden, den tüchtige Angestellte zum Erfolg jeder professionellen Velowerkstatt leisten.
Einblick in die detaillierten Ergebnisse
Die Ergebnisse der repräsenativen Werkstattumfrage 2022 sind zusammengefasst in einer Studie erhältlich. Diese kann hier bestellt werden.